Über die Grenzverteidigung am Brenner

 

Vor kurzem hat der Landtagsabgeordnete von Fratelli d'Italia, Alessandro Urzì, auf Facebook angeprangert, dass (übersetzt) es nur in Italien für eine ausländische Polizei möglich sei, auf Zebrastreifen anzuhalten. Unten einen Screenshot zum Post.



Ich möchte in diesem Blogbeitrag nun näher darauf eingehen und meine Meinung zu diesem "Vorfall" berichten.

Urzì Beitrag
(c) Facebookprofil von L.Abg. Urzì A., Schwärzungen von mir

Also, was sehen wir hier? Urzì hat am 5. Juli 2022 ein Foto von einem (anscheinend) haltenden österreichischen Polizeiauto am Brenner (italienische Seite) gepostet. Ferner empörte er sich über die Missachtung (anscheinend) der  Verkehrsregeln und die Unanständigkeit der österreichischen Polizei. Was wir vom Bild nicht sehen ist erstens ob das Polzeiauto überhaupt hält (Fotos bewegen sich normalerweise nicht), oder ob es gerade diesen Zebrastreifen beim überqueren ist und davon ein Foto, das sich nicht bewegt, gemacht worden ist. Dafür würde sprechen, dass sich im Polizeiauto eine Person mit, wie es scheint, Händen am Lenkrad befindet. 
Auf der anderen Seite, könnte es aber auch natürlich sein, dass dieses Polizeiauto wirklich dort angehalten hat. 
Jedoch finde ich es verwerflich, aber nicht überraschend, dass genau Urzì solche unnötigen Polemiken/Aktionen startet. Denn Urzì schreibt in seinem Post nichts über solche Verkehrsvergehen von italienischen Ordnungskräften, dürfen die das? Wohl auch nicht und dennoch kommt es vor. Vorausgeschickt ist anzumerken, dass wir nicht wissen, wieso, wenn die österreichische Polizei dort gehalten haben sollte, sie das gemacht haben evtl. gibt es einen Grund dafür? Hier ein paar Beispiele von italienischer Seite, wo auch auf Zebrastreifen bzw. Rampen für Menschen mit Beeinträchtigungen geparkt/angehalten worden ist, von Seiten italienischer Beamter. Indes hat Urzì bereits eine Landtagsanfrage diesbezüglich eingereicht. 

Beispiel 1
(c)Quinewspistoia.it, Parcheggia sulle strisce: ma è un vigile

Und
Beispiel 2
(c)Newspam.it, Auto dei Carabinieri parcheggiata su strisce pedonali e davanti scivolo per disabili

Auch hier haben Beamte gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen, so würde ich es angebrachter finden, wenn Urzì in seinem Post schreiben würde: Anche la polizia di uno stato estero non è meglio di noi. Weil augenscheinlich, haben auch italienische Beamte die Straßenverkehrsordnung nicht beachtet. Auch hier, wir kennen die Umstände und den Grund, wieso so geparkt/gehalten wurde, nicht.
Was mich besonders eben aufregt, dass man über so etwas unnötiges Berichten muss und auch noch Likes und Zuspruch dafür erhält. Denn, ich glaube man weiß das auch aus eigener Erfahrung, viele Verkehrsteilnehmer (egal welcher Herkunft) halten sich nicht immer 1:1 an die Straßenverkehrsordnung, auch ein Carabinieriauto nicht, welches ohne Blaulicht und Sirene ein normaler Verkehrsteilnehmer sein müsste. Entstehen hier Polemiken? Nein. Ein:e Kommentator:in schreibt, zurecht meines Erachtens, Urzì solle sich um wichtigere Sachen kümmern und solche Sachen lassen. 

2019 hat A. Urzì eine Landtagsanfrage (331/19) eingereicht, um die Legitimität bzw. Illegitimität zu klären, wenn österreichische Polizeibeamte in Dienstkleidung (inkl. Bewaffnung natürlich), auf "territorio italiano" auf den Brenner Pizza essen, in die Bar gehen und Einkäufe machen (siehe Collage unten). Weiters wird darauf hingewiesen, dass die österreichischen Exekutivbeamten, gesetzlich nur an den Bahnhof dürften, um internationale Züge, welche dann die Grenze nach Österreich überqueren, zu kontrollieren. 
LH Kompatscher, der zuständig für die Beantwortung dieser Frage war, antwortete im ersten Teil mit der Erklärung der rechtlichen Grundlagen, die die österreichische Polizei zur Einreise als solche befähigt. Im zweiten Teil, hält Kompatscher, in Rücksprache mit den zuständigen Behörden (italienische wahrscheinlich) fest, dass es keine Zwischenfälle gegeben hätte, die als polizeiliche Aktivitäten von Seiten der österreichischen Polizeibeamten auf dem sog. territorio italiano , gewertet werden könnten. Weiters sei es plausibel, so der Landeshauptmann, dass sich die österreichischen Beamten in öffentlichen Lokalen, um etwas zu konsumieren, eingefunden hätten. 
Landtagsanfrage 331/19
(c) Landtagsanfrage 331/19 und deren Beantwortung

Meines Erachtens ist das, was Urzì betreibt bzw. versuchen will,  die Propagierung von engstirnigen Nationalismus und hat auch gar nichts mit eventueller Sicherheitsbedenken zu tun, denn wo sind wir angekommen, wenn eine Landtagsanfrage im Landtag landet, die die Frage aufwirft, ob es rechtens sei, wenn ein:e österreichische Polizist:in einen Kaffee trinkt oder am Brenner einen Einkauf tätigt. 
Gut, ich kann schon verstehen, dass uniformierte und bewaffnete Personen eines anderen Staates Unbehagen bei Menschen hervorrufen kann. Doch denke ich mir auch, dass vor allem bei einem Grenzgebiet, wie es der Brenner ist, österreichische und italienische Beamte (auf der österreichischen Seite) bei den Anrainern keine Unbekannten sein dürften. Und persönlich denke ich mir auch, dass ein österreichische:r Polizist:in sicher nichts böses will oder die Souveranität eines Staates untergraben will, wenn er/sie einen Espresso in einer Bar trinkt oder ein paar Einkäufe erledigt. Aber, wie es scheint, ist die Denke des "territorio italiano" wichtiger, als bspw., nach so vielen Jahren der EU, ein "territorio europeo", ohne Grenzen und Grenzdenken. Doch davon, sind wir, so glaube ich noch weit entfernt, wenn man sich Gedanken darüber machen und Polemiken (wenigstens zu starten versucht) machen muss, weil ein österreichisches Polizeiauto vermeintlich auf einem Zebrastreifen angehalten hat und dann darunter eine Unterwanderung sieht. Eher wirkt dies nach einer Grenzverteidigung am Brenner. 

Abschließend einen Gedanken: Ich würde mir wünschen, dass Nationalstaaten als solche in der EU, auch generell, aber besonders in einer solchen Union, die die EU darstellt, stark an ideologischen Wert verlieren sollten und man mehr einen europäischen, gemeinschaftlichen Geist leben sollte, ohne Unterschiede zu machen, ohne Grenzen mit Beflaggung markieren zu müssen.
 
Hier ein Artikel der Tageszeitung für eine Vertiefung.

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